festungsbrigade23.ch Referate Vicari Francesco (2011)

Der einzige Tessiner Stabschef der Festungsbrigade 23 erzählt

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Meine lieben ehemaligen Kameraden,

werte ehemalige Brigadesekretärinnen,

Der Auftrag unseres Obmannes, Br Andrea Rauch, für den heutigen Referat lautete wie folgt: „Francesco, nächstes Jahr bist Du dran. Keine Dispositive. Nur Erinnerungen an das Leben im Stab der Festungsbrigade 23“.

Andrea, Du hast mich gezwungen, vierzig Jahre zurückliegende Erinnerungen aus meinem Gedächtnis während eines ganzen Sommers zu holen. Nur das Reglement 52.54 und ein Paar Photos haben mir geholfen.

Uebt der Gotthard eine unausweichliche Anziehungskraft ?

Ich bin fest überzeugt, dass das Leben einer Person irgendwie vorausbestimmt ist. Der Gotthard musste auf mich seit Geburt eine unbewusste Anziehungskraft ausgeübt haben. Als fünfjähriger Knabe bin ich zum ersten Mal in Nante auf Skis gestanden. Dann habe ich meine Skitechnik vom Bedrettotal über Prato, Döttra am Lukmanier und auf dem Nätschen oberhalb  Andermatt verbessert. Als Jüngling habe ich meine Sommerferien in Prato verbracht. Mit meinem Vater habe ich viele Berge im nördlichen Tessin und jenseits des Giacomopasses bestiegen und Kristalle gesucht. Den Gotthard habe ich auf einer Pilgerfahrt von Ascona bis Einsiedeln vor dem Bau der Stauwerke zu Fuss überquert. Meine Gebirgsausbildung habe ich bei der JO des SAC auf der Furka und am Steingletscher erhalten. Einen WK als Fourier im neu eröffneten Stollen der Flugwaffe in Ambrì geleistet. Elf Schiessverlegungen mit Rekruten der Versorgungstruppen in diesem Raum durchgeführt. Meine spätere Gemahlin zum ersten Mal auf dem Pizzo Lucendro und zum zweiten Male auf dem Pizzo Centrale geküsst. Mein Ferienhaus in Prato gebaut. Die Nufenenpass-Strasse, Furka- und Gotthardtunnel vor der Eröffnung im Jeep befahren. Die Verpflegungskompanie II/9 mit Mobilmachungsplatz in Eyelen bei Attinghausen und in sechs WK nördlich und südlich des Gotthards kommandiert. Dies als Beweis der bereits erwähnten und unausweichlichen Anziehungskraft dieser Gegend.

Wie wird ein Tessiner Gst Of in einer deutschsprechenden Brigade ?

Am 21. Februar 1969 wurde ich zu den Prüfungen für Gst Of Anwärter einberufen. Zum Glück wurde zum ersten Male eine Rangliste erstellt; auch die Inspektion meiner Einheit durch Div de Courten in Rothenthurm war erfolgreich. Die Tessiner wollten jedoch nur Offiziere aus ihren Kampftruppen vorschlagen; ein Offizier der Versorgungstruppen kam überhaupt nicht in Frage. Zu meinem Gunsten sprach das Resultat der Prüfungen und ein Platz für Hellgrünen stand zur Verfügung (als dritter Instr Of nach Edmund Müller und Hans Schlup: alle drei sind später Divisionäre geworden). Am 17. November rückte ich in Bremgarten in den Gst K I/A ein und wurde durch Major i Gst Rosa wie folgt begrüsst: „Vicari, Sie werden grosse Schwierigkeiten im Gst Kurs haben“. Dann folgten die Eintrittsprüfungen. Wieder eine Rangliste. Von da an hat Rosa geschwiegen.

Aber ich wusste immer noch nichts über meine zukünftige Einteilung.

Gst Kurse waren damals sehr schlaflos. Auf der Fahrt nach Hause sitze ich im Zug und schlafe unter dem Mantel ohne zu merken, wer ein- oder aussteigt. Im Halbschlaf höre ich in meinem Rücken ein „militärisches“ Gespräch. Thema war ein Rapport in Luzern.

Dann frägt einer: „Gibt es bei uns Nachwuchs an Gst Of?“ Ein Anderer antwortet:

„Ja, wir erhalten einen Of der Versorgungstruppen. Einen Tessiner, den die Tessiner

nicht wollen!“ Ich stehe auf, mache das Tenue in Ordnung und stelle mich vor:

„Herr Oberstbrigadier, gestatten Sie, Hauptmann Vicari“. Vor mir waren Br Wittwer und Major i Gst Dahinden. Bis Massagno wurde ich dann in die Belange der Fest Br 23 eingeführt.

 

Am 7. März 1970 wurde ich in das Korps der Generalstabsoffiziere im Schloss Spiez aufgenommen und am 12. November begann meine 11 jährige Tätigkeit bei der Fest Br 23, wo ich 439 besoldete Diensttage geleistet habe, von den unbesoldeten wollen wir gar nicht sprechen (im Durchschnitt 39,9 Tage pro Jahr).

Ich war nicht der einzige Tessiner Gst Of, der im Brigadestab Dienst geleistet hat. Vor mich waren: Otto Pedrazzini, Roberto Carugo, Roberto Moccetti, Mario Petitpierre, aber auch Carlo Baumann; mit mir war Luciano Botta im Br Stab.

Später ist es mir als Stabschef des Geb AK 3 und als Mitglied der Planungsgruppe  „Armee 95“ gelungen, das Tessiner Bat car mont 9 vor der Auflösung zu retten und in die Brigade 23 einzugliedern. Damit konnten andere Tessiner Offiziere Dienst in der Festungsbrigade Gotthard leisten (Brunetti, Piffaretti, Pini, Gornati, Castelli, Dattrino).

 

Erlebt habe ich 4 Brigadekommandanten:

- 1970                        Hans Wittwer

- 1971 – 1973           Rudolf Kessler

- 1978 – 1983           Walter Winkler

- 1984                        Benno Baumann

Und auch 4 Korpskommandanten, denn die Br war, ohne Rücksicht auf die Meinungen

der verschiedenen Kdt der Geb Div 9, immer dem Geb AK 3 für die Ausbildung und das Personalwesen direkt unterstellt:

- 1970 – 1973           Fritz Wille

- 1978                        Georg Reichlin

- 1979 – 1983           Enrico Franchini

- 1984                        Roberto Moccetti.

 

Die Dienstleistungen im Kriegskommandoposten

Kein Jahr verging ohne wenigstens eine Woche in der unterirdischen Anlage Dienst geleistet zu haben. Nicht alle Stabsangehörigen waren deshalb begeistert; sie wären lieber in der Kaserne Andermatt - mit dem Brigadebüro, Herr Wicki und Frl Simmen in der Nähe -  untergebracht gewesen. Für mich waren es jedoch einmalige Erlebnisse und konnte problemlos Sonntag abends untertauchen und Samstag nachmittags wieder ans Tageslicht treten … etwas schwindlig, aber gesund.

 

Wer diese Anlage nicht gekannt hat, muss sich diese Infrastruktur als ein H vorstellen:

Balken links für die Führung; Balken rechts für die Eintrittskontrolle, die Adjudantur, die Kanzlei, die Schlafstellen der Offiziere und zuhinterst die Büros von Kdt und SC; im Querbalken ein Essraum, gleichzeitig Rapportraum; ein „Passeplat“ verband Essraum und Küche. Das Küchenpersonal hatte keinen direkten Zugang zum Brigadestabstrakt.

Alle Offiziere hatten einen persönlichen Ausweis, den ihnen Zugang nur zu bestimmten  Räumlichkeiten gestattete. Die Büros waren geräumig, gut beleuchtet und belüftet.

 

In den siebziger Jahren war der Br Stab sehr einfach gegliedert. Nur 4 Gst Of:

SC, Gst Of Operationen, Gst Of Nachrichten und Gst Of Versorgung und Transporte.

Anfangs achtziger Jahre wurden die Brigadestäbe neu gegliedert. Dem SC wurde einen USC Front (mit zusätzlich einem Gst Of Op), einen USC Logistik, einen Chef Betrieb und einen Chef HQ unterstellt (die beiden letztgenannten Chefs waren jedoch keine Gst Of). Auch wenn im Organigramm nicht vorgesehen, wurde ein Gst Of zur Verfügung SC zusätzlich eingeteilt. Gesamthaft waren ca 50 Offiziere im Br Stab tätig, zehn mehr als früher. Die alte Büro-Ordnung gestattete nicht mehr einen reibungslosen und modernen Stabsbetrieb. Es bedurfte einer Inspektion und der Erfahrung von Br Winkler um Ordnung zu schaffen und die Diskussionen um das Feuerkoordinationszentrum zu Ende zu führen.

Neu konzipiert werden mussten auch die Kommandantenstaffel und das Notkommando.

 

Unvergesslich für mich war die Stille und die absolute Dunkelheit in meinem Büro, das nur ein Vorhang vom Bett trennte. Auf dem Nachttisch war sicherheitshalber eine Kerze und eine Schachtel Zündhölzer; ein Elektroofen strahlte eine heimliche Wärme aus.

Auf dem Arbeitstisch stand eine Tischlampe und an der Wand hing eine LK 1:100'000 des Brigaderaumes und der anliegenden Gebiete. Die geheimen Dokumente waren in der Gst Of Kiste versorgt. Bestimmt war das Büro kein Ort für Klaustrophoben.

 

Die Bewährungsprobe als Chef Versorgung und Transporte

Meine erste Aufgabe als Chef der Gruppe Versorgung und Transporte war gerade auf meine Berufskenntnisse zugeschnitten; gerne erinnere ich mich an die Kompetenz meiner Kameraden, die meine Arbeit sehr erleichtert haben. Gespräche waren notwendig um Einigkeit über die neue Versorgungskonzeption zu erreichen, die Nachschubabteilung 43 aufzulösen und die Versorgungsräume „NAGO“ und „MATA“ im Dispositiv der Brigade zu integrieren, die Truppenführung 69 zu erklären und die Liste der ersten Standorte und der ortsfesten Truppen zu bereinigen. Diese von der Territorialbrigade 9 geforderte Liste war eine endlose Arbeit, die sich dann über Jahre hinausziehen wird.

Div de Courten besuchte unsere Gruppe anlässlich eines Rapportes, um sich zu vergewissern, ob der an Vicari erteilte Vorschlag keinen Irrtum gewesen sei.

 

Der Ablauf der Stabsarbeit (Führungsrhythmus)

Ende siebziger und anfangs achtziger Jahre wurde in der ganzen Armee viel Wert auf einen systhemathischen Stabsbetrieb gelegt. Wert wurde auf die Rapportfolge bei der Planung und unter Zeitdruck im Kampfe gelegt. Auch wurde die Durchführung von kleinen und grossen Stabsrapporten eingeführt. Insbesondere unter Br Winkler konnte sich der Brigadestab diese Systhematik der Führung aneignen und dann in Stabs- und Truppenübungen anwenden.

 

Die Anpassung der Befehlsgebung

Die Festungsbrigade 23 hatte als wichtige Grundlage für jede Befehlsgebung das Dispositiv „OPAL“ , d h die Planung des Einsatzes nach einer Teil Mobilmachung.

Es waren die grauen Befehle. Die Befehlsgebung im Anschluss an eine K Mob wurde  zuerst auf blauem Papier redigiert und hatte das Armee Dispositiv  „THEOPHIL“ als Grundlage. Von dem erfuhren wir aber wenig bis nichts. Das Prinzip „need to know“

wurde strikte angewandt.

Erst nach 1983 wurde auf der Grundlage einer Armeestudie JANUS bzw auf Stufe Geb

AK 3 „ALEXANDER“ (später „NORBERT“) gearbeitet. Das Dispositivs  „CATO“ der Geb Div 9 war für die Brigade massgebend; die Einsatzbefehle auf Stufe Brigade mit Deckname „GALBA“ wurden neu redigiert. Die Befehle unserer unterstellten Trp wurden mit Decknamen von Gesteinen aus dem Gotthardmassiv und der Buchstabe „G“ bezeichnet (Granit, Gabbro, Gneiss, usw); die Papierfarbe wurde gelb.

„OPAL“ blieb massgebend für die Lw Inf Rgt 69, 81 und 87. „GALBA“ aber verlangte eine klare nach Süden gerichtete Verteidigungsaufstellung. Das Geb Inf Rgt 29, die M Flab Abt 32 und die Kampfgruppe für den Schutz des Gotthardtunnels wurden in das Dispositiv integriert. Dazu musste man sich mit dem Schutz der KP der höheren Führung und des Geb AK 3 sowie der Eingliederung der Flpl Abt Ambrì und Ulrichen befassen.

Die Kampfgruppe Altdorf wurde an die R Br 24 abgetreten und die Brigadegrenze im Norden korrigiert.

Sehr gründlich wurde die Aufstellung der Kampfgruppe Geb Füs Bat 87 (+ Gren Kp I/23,

2 Lst Füs Kp, Det Str Pol Kp) im Hinblick auf die Eröffnung des Gotthardstrassentunnels (am 05.09.80) überlegt.

 

Vorbereitung der Taktischen Kurse der Lw Inf Rgt

Eine der interessantesten Arbeiten in der Aera Kessler (aber auch nachher) war für das Gros des Stabes die Vorbereitung der Taktischen Kurse der Lw Inf Rgt 69, 81, 87, später auch für das Geb Inf Rgt 29. Sie wurden in den geraden Jahren durchgeführt. Jeweils drei ad hoc Gruppen unter der Leitung der drei Gst Of (Tschanz, Botta und Vicari) wurden mit den Vorbereitungen beauftragt. Es ging nicht nur darum, das moderne Feindbild zu übermitteln, sondern auch die Einsatzbefehle zu überprüfen und sie allen Offizieren verständlich zu machen; ebenfalls wurde die Ausbildung der Einheitskommandanten verbessert:

- Entschlussfassungsübungen

- Absichtsformulierungen auf Grund einer Zeichnung

- Zeichnen von formulierten Absichten

- artilleristische Ausbildung der Infanteristen (Bambinoschiessen)

- die Handhabung der Sprengkompetenz bis auf die unterste Stufe

- die Berechnung des Hinderniswertes von Panzersperren.

Die Kenntnis des Sanitätsdienstes und des logistischen Ablaufes war ein Ziel des Kurses im Raume der R Br 24. Br Kessler stammte aus jener Brigade und wollte Abwechslung und  neue Ideen in die TK bringen. Zahlreich waren auch die Tests; selbstverständlich die Ausarbeitung, die Korrektur und die Besprechung waren Sache der Offiziere des Br Stabes..

Die Besprechung von TK Konzept und Uebungen vor Br Kessler und SC Winkler waren für die Kettenraucher Tschanz und Botta ein Vergnügen, für mich als Nichtraucher eine Gaskammer: Dannemannzigarren sind eine C-Waffe!

 

Arbeiten in Zusammenhang mit den Permanenzen

Br Kessler war nicht nur mein Br Kdt, sondern auch mein Kreis Instruktor. So konnte er mir auch zur Ueberprüfung der Kriegsbereitschaft der permanenten Anlagen aufbieten.

Dabei konnte ich jeweils immer wieder die Liebe unserer Festungswächter zu den ihnen anvertrauten Werken feststellen. Vom Sustenpass bis Gandria, von Russein bis Gordola, von Isleten zur Lona waren die Beanstandungen wirklich auf einer Hand zu zählen.

Lediglich das Werk Grandinagia wurde ohne Kenntnis der Brigade einfach vernachlässigt, was eine Untersuchung gegen den damaligen Kdt der FW Airolo zur Folge hatte.

 

1978 wurde auch eine Ueberprüfung sämtlicher Sprengobjekte unter Br Burgunder veranlasst. Entscheide mussten in Zusammenhang mit den Seilbahnen Cristallina, nach einem Lawinenniedergang,  Grandinagia und Furka gefällt werden.

Sämtliche Höhenunterkünfte wurden auf ihre Notwendigkeit überprüft und nur bei einigen wurde eine Sanierung des Daches veranlasst.

 

Um die Rezession im Baugewerbe zu begegnen, bewilligte der Bundesrat Mitte der siebziger Jahre Sonderkredite. Die guten Beziehungen zwischen Br Kessler und Oberst Staub (dem verantwortlichen Beamte in Bern) gestatteten den raschen Bau der oberirdischen Kasernen auf Rossmettlen, Sellasee und Fieud, der Gebirgsunterkünfte von All’Acqua, Gotthard-, Oberalp- und Nufenenpass sowie der Zugsgebirgsunterkünfte auf Giübin, Altstafel und Cristallina.

 

In den siebzigen Jahren wurde die Steigerung der Feuerkraft der Festungsanlagen  gefördert. Neue 12 cm Festungsminenwerfer wurden nach dem ersten in Mompe Medels geplant und realisiert; gleichzeitig wurden die ersten Studien betr Ersatz der an Geld und Personal aufwendigen Artilleriewerke in Angriff genommen. Diese führten unter Br Winkler zum Projekt BISON.

 

Dem Richtstrahlnetz Nord-Süd und Ost-West wurde die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt, denn die Fest Br 23 stand am Kreuzpunkt dieser für die gesamte Armee unerlässlichen Verbindungen. Das „Rossiloch“ am Fibbiagrat, Sedrun,. Gütsch und Furka sind nur Beispiele dafür.

 

Stabsübungen unter Leitung Geb AK 3

Meine erste Stabsübung – es waren eigentliche Stabsmanöver - wurde im Monat November 1972 durchgeführt. Die Leitung hatte KKdt Reichlin. Wir spielten unsere Brigade in der Kaserne Stans, aber der Stab der R Br 24 wurde im Kriegs KP beübt. Bei tiefer Nacht musste ich das Befehlspaket persönlich der Br überbringen. Der Ort war mir unbekannt. Es war keine einfache Aufgabe bei Dunkelheit, Regen und Nebel den Wachtposten zu finden. In jenem KP bewunderte ich die schönen Wandgemälder bevor ich mit anderen Dokumenten nach Stans zurückkehrte … knapp rechtzeitig um einem Gasangriff im KP zu entkommen. Der Br Kdt, aber auch der Uebungsleiter waren mit den Markeuren wütend.

 

1979 wurden die Stäbe des Sektors Mitte des Geb AK 3 durch KKdt Franchini regelrecht im Werk Magletsch eingesperrt. Geheimhaltung nach der Affäre Jeanmaire war die Begründung. Ziel war die Ausarbeitung neuer Einsatzbefehle auf allen Stufen. Eine von Franchini gewollte Methodik erlaubte nicht nur die Entscheidungsfindung, sofern eine solche für die Lw Verbände überhaupt möglich und gewünscht war, sondern auch gerade die Uebereinstimmung der Befehle zwischen den verschiedenen Kommandostufen.

So wollte Div Moccetti, als Kdt der Geb Div 9, die Kampfgruppe Geb Füs Bat 87 am Gotthard nicht akzeptieren, denn das Bat müsse ihm als Reserve zur Verfügung stehen.

Wir hielten uns strikte an die befohlene Geheimhaltung und gaben ihm keine nähere Auskunft. Moccetti wurde zornig, bis Franchini in einem Gespräch unter vier Augen ihm die streng geheime Begründung erklärte.

 

Kurz vor seiner Verabschiedung Ende 1983 leitete KKdt Franchini noch Stabsübungen in der Kaserne Luzern. Ich glaube, dass alle Stäbe des Geb AK 3 anwesend waren.

Die Fest Br 23 wurde der Geb Div 9 unterstellt: Kdt war Div Moccetti und sein SC

Oberst i Gst Botta.

Eines Morgens stand Br Winkler im Gespräch mit mir. Wir wurden über unsere Schultern von einem Oberst i Gst (Bachofner) der ULtg beobachtet. Nach kurzer Zeit stand Br Winkler auf und, sehr anständig wie immer, sprach: „Herr Oberst, wenn ich mit meinem SC spreche, brauche ich niemand der uns zuhört“. Wir wurden nicht weiter belästigt!

 

Das Ziel solcher Stasübungen war nicht nur die Redaktion und die rechtzeitige Lieferung von Befehlspaketen guter Qualität, sondern auch möglichst früh ins Bett zu gehen. Dass die Entschlussfindung in der Geb Div 9 sehr sehr spät erfolgen würde, haben wir erwartet. Um unsere Stabstätigkeit wie gewohnt rasch und unkompliziert abzuwickeln, mussten wir uns etwas einfallen lassen. Ein Stabssekretär, nicht einmal als Spion getarnt, wurde deshalb beauftragt, neben dem Gst Of Op der Geb Div 9 unauffällig zu stehen und uns über die Fortschritte der Planung laufend zu informieren. Das Resultat: anlässlich der Uebungsbesprechung stellte KKdt Franchini fest, dass die Fest Br 23 gut und rasch gearbeitet hatte, sie lieferte das Befehlspaket sogar früher als die vorgesetzte Geb Div.

… und wir hatten wenigstens einige Stunden Schlaf!

 

Truppenübung „ENZIAN“

Die Aufgabe eines Stabes im Kampfe ist die Suche nach der bestmöglichen Lösung in möglichst kurzer Zeit. Der Stab sucht Lösungsvarianten und stellt sie dem Kdt vor.

Der Kdt und der SC machen sich eigene Gedanken und vergleichen sie mit den Vorstellungen des Stabes. Der vorausschauende Stabschef bildet sich aber seine eigene Meinung noch vor Beginn des ganzen Prozesses, ja sogar noch vor dem Dienst.

Das habe ich anlässlich der Uebung „Enzian“ getan. Auf einer in meinem Büro, zuhinterst im Kriegs-KP, war eine Brigadekarte angeschlagen.  Alle im Dienst stehenden Truppen und ihre WK Standorte waren eingezeichnet. Als Berufsoffizier habe ich gewusst, dass Uebungen interessant werden, wenn man der beübten Partei echte Probleme stellt. Ich habe mir solche Probleme vorgestellt und auf der Karte farblich skizziert.

Ein konzentrischer und gleichzeitiger Angriff in Richtung Gotthard  hätte uns grosse Probleme gestellt. Kein Problem für uns war hingegen die Eingliederung von Verstärkungen im Brigade Dispositiv. Wir mussten lediglich „vorbehaltene Entschlüsse“

realisieren. Div Moccetti erschien in meinem Büro, schaute sich herum und sah die aufgehängte Karte. Er konnte seine Aufregung nicht verehlen und fragte:

„Was bedeutet diese Karte?“

„Es sind die Angriffsmöglichkeiten des Gegners“.

„Wer hat Ihnen all diese Angaben geliefert?“

Man spürte sofort, dass Moccetti überzeugt war, man hätte bei der ULtg spioniert.

„Alle verfügen über das WK-Verzeichnis“ war meine Antwort.

Er verliess mein Büro, ohne von mir zu erfahren, wie die ULtg uns echte Probleme hätte stellen können. Und Probleme hat uns diese Uebung sehr wenige gestellt. Das (supp) Erdbeben im Haslital, der plötzliche Wintereinbruch, eine vorgefasste Meinung es gebe nur ein einzig mögliches Feindbild und die mangelnde Flexibilität Truppen motorisiert um die Brigadegrenze zu verschieben haben dazu beigetragen. Die drei Lw Regimenter konnten dank ihrer dynamischen Verteidigung und der Unterstützung der Festungsartillerie mühelos den Gegner immer wieder an der Brigadegrenze abwehren; die Brigade hatte genügende Reserven um die Regimenter laufend zu alimentieren. Es wurden nur Scharmützeln und keine entscheidende Gefechte gefochten, auch weil die Flugwaffe beider Parteien am Boden gefesselt war. Nicht einmal mit Lastwagen durchgeführte Helilandungen fanden statt! Unser Brigadekdt konnte gefahrlos alle seine unterstellten Kommandanten besuchen und seinen Einfluss auf das Verhalten seiner Truppe direkt und persönlich ausüben. Der leistungsfähige Uebermittlungsnetz erlaubte dem Kdt im Gespräch mit dem SC die Brigade zu führen.

 

Die Diskussionen mit dem Uebungsleiter blieben jedoch nicht aus, auch heftig.

Aber schliesslich beruhigten sich die Gemüter. Alle waren einig: die Brigade war in der Lage den roten Gegner abzuwehren. Das Ziel der Truppenübung wurde erreicht!

Ausbildung der Auszugsbat Geb S Bat 12 und Geb Füs Bat 87

Die beiden Auszugsbat waren der Brigade direkt unterstellt, d h die Brigade war auch für ihre Ausbildung verantwortlich. Nebst den üblichen Mobilmachungsübungen wurden auch Gefechtsübungen gegen Markeure durchgeführt.

Gut in Erinnerung habe ich die zwei Gefechtsschiessübungen auf Witenwasseren (Uebung „ENZIANELLA“, mit dem Geb Füs Bat 87, und oberhalb Nante am Passo di Sassello, mit dem Geb S Bat 12 (Uebung „SASSELLO“).

Die Uebungen wurden durch einen Teilstab der Br geleitet und zum ersten Mal in der Brigade wurden die neuen 12 cm Minenwerfer der Infanterie als Unterstützung mit Kriegsmunition eingesetzt (sie stammten aus der Gren RS Isone).

Weitere Tätigkeiten im Brigadestab

 

- Die Zeitung „Feldstecher“

- Uebungsleitung beim Stab Geb AK 3 unter KKdt Reichlin (Uebung „NESA“ im KP Ost)

- Besichtigung Südfront mit den höheren Stabsoffizieren des Geb AK 3

- Gesamtverteidigungs- und Operative Uebungen in der Kaserne Bern

- die Einführung von Br Baumann in das Brigadedispositiv

- die jährliche Teilnahme am Gotthardlauf.

Fröhliche Stunden im Brigadestab

Man hat immer sehr seriös und mit viel Liebe zur Pflicht gearbeitet.

Gerne erinnere ich mich an kameradschaftliche Ereignisse:

Die Gebirgsmärsche:

- zur alten Cristallinahütte (Pizzoccheri und Besteigung der Cima di Lago)

- zur Corno-Gries-Hütte (mit Besteigung des Grieshorns)

- die Besteigung des Piz Ravetsch von der Maighelshütte aus

- der Abstieg vom Gemsstock durch das lange Unteralptal

- die Wanderung vom Bäzberg bis zur Fuchsegg.

Die jährlichen Verabschiedungsfeiern in der Kaserne Andermatt, auf dem Oberalp

oder in Zumdorf.

Aber auch im KKP haben wir fröhliche Stunden (mit Wein zu „Festungswacht-Preise“) verbracht … ohne den Besuch in Campo Blenio bei meinem Vater zu vergessen.

 

Schlusswort

Ich möchte meine Ausführungen mit einem Wort des Dankes abschliessen.

Dank an Br Wittwer, der mich im Brigadestab als unbekannter Of aufgenommen hat.

Dank an Br Kessler in seiner Doppelfunktion als Kdt und mein Kr Instr, der mir gegenüber viel Verständnis und Wohlwollen gezeigt hat.

Dank an Br Winkler; unter ihm ist kein Tag verstrichen, ohne etwas für das Leben gelernt zu haben. Er war Chef, aber auch Mensch!

Dank auch an Br Baumann für die erspriessliche nur einjährige Zusammenarbeit.

 

Dank aber auch an die vier Korpskdt die heute nicht mehr unter uns sind und die ich in bester Erinnerung behalten werde. Schliesslich waren sie für alle meine Beförderungen ab Bataillonskommandant zuständig.

Dank aber auch all jener die unter mich Dienst geleistet haben, mich dulden mussten und Verständnis zeigten … „für die Haare auf meinen Zähnen“ (so unser Art Chef). Sie haben auch für meine unerhoffte Karriere einen entscheidenden Beitrag geleistet.

Stabschef ist eine Dienstleistungsfunktion nicht nur seinem Kommandanten, sondern auch dem Stab und der Truppe gegenüber. Ich bin stolz, diese Funktion in der Gotthardbrigade und später noch auf Stufe Gebirgsarmeekorps 3 als erster und einziger Tessiner ausgeübt zu haben.

Ein Tessiner als SC dieser beiden traditionsreichen Verbände unserer Armee berufen zu haben, ist für mich ein Zeichen der Verbundenheit der übrigen Schweiz gegenüber meinem Kanton; es beweist den hohen Wert, welcher die Armee der Kohäsion in unserem Land beimisst und welche Bedeutung diese als Brückenschlag über den Gotthard innehat.

Passen wir auf: diese Kohäsionskraft der Armee darf nicht vergessen werden !

 

Massagno / Prato-Leventina, im Sommer 2011                       Div a D Vicari Francesco

 

In der Fest Br 23:

8.3.70 bis 31.12.73             Gst Of Vsg und Trsp

1.1.78 bis 31.12.78             Gst Of z Vfg SC

1.1.79 bis 31.12.79             USC Front

1.1.80 bis 31.12.84             SC

 

Aktualisiert ( Samstag, den 17. November 2012 )  

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